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Herzfrequenz
(HF)- gesteuertes Training für..... ..........Spaßradfahrer
!!
Christian Suckow, RV Ober-Mörlen, 04. Mai 2001
HF-Messgeräte werden auch bei Hobbysportlern oder Fitness-Orientierten immer mehr verwendet. Richtig eingestellt und verwendet, kann jeder Nutzer seine Herzfrequenz ablesen und - je nach Gerät - alle möglichen Daten speichern oder verarbeiten. Aber viele wissen nicht, was sie mit dieser Information eigentlich machen sollen, und wie welche Daten bewertet werden müssen. Oder ganz einfach: In
welchem HF-Bereich muss ich eigentlich trainieren ?? Dazu schwirren die abenteuerlichsten Meinungen herum. Der nachfolgende Vortrag wendet sich an: SPASSRADFAHRER. (Das sind die, die vor, während, und nach einer Radtour den SPASS dabei im Hauptaugenmerk haben. Diejenigen, die mit dem Radfahren Geld verdienen müssen, oder das aus anderen Gründen verbissen sehen, gehören nicht dazu.) Jetzt will ich nicht einfach sagen: "So, dies ist der Bereich, in dem trainiert wird, und damit basta !", sondern versuchen, zu erklären, warum das so ist, und welche Zusammenhänge da einfließen. Erster Schritt: Zunächst einmal wollen wir uns über ein paar Grundlagen klar werden. Wenn wir Radfahren, ist der Mensch der Motor des Gefährts, muss also die mechanische Energie zum Vortrieb aufbringen. Wie der Automotor, braucht er dazu Kraftstoff. Zusammen mit dem Sauerstoff (aus der Luft) wird dann mechanische Energie und Wärme erzeugt. Der Automotor produziert auch noch erhebliche Abgase... Ein Auto hat (normalerweise) EINEN Kraftstofftank, und die Motorleistung kann man nicht beeinflussen (es sei denn, durch Austausch von Teilen oder des ganzen Motors). Beim Menschmotor geht das aber. 1. Wir haben drei Tanks. "Kraftstoff" für den Menschmotor sind Fett und Kohlenhydrate. Der "Fett-Tank" ist ein Riesending. Enthält bei einem gut genährten Mitteleuropäer über 100000 Kcal Energie. Reicht locker für 6 Wochen Hungerstreik. (Hier hat die Natur für unsere Vor-Vor-Vor-....fahren gesorgt, falls mal wochenlang nix vernünftiges für zwischen die Zähne erbeutet werden konnte...). Damit dieser Tank aber nicht so schnell leer wird, hat er nur eine klitzekleine Kraftstoffleitung - das heißt, wir können hieraus nur ganz langsam Energie entnehmen (Grund: siehe oben, Vorfahren). Der "Kohlenhydrate-Tank" ist schon deutlich kleiner, so um die 1000 Kcal. Reicht so für 1 1/2 bis 3 Stunden Bewegung. Hat aber eine "dicke" Kraftstoffleitung, d h wir bekommen schnell Energie heraus. Der Kohlenhydrate-Tank hat einen Überlauf: was nicht gebraucht wird, geht in den Fett-Tank. Dann gibt es noch einen Spezialtank mit besonderen Kohlehydraten, so um die 10 Kcal, die schlagartig verballert werden können. Für das Raketenauto. Also, für ganz kurzzeitige Höchstbelastungen. Braucht Adrenalin als Pumpenantrieb. Nur für die Erik Zabels unter uns (aber für die ist das hier nicht geschrieben). Also, haben wir jetzt mal gehört (oder gelesen), können wir aber sonst wieder vergessen.
Gehirn und Körperzellen sind unheimlich schlau (zumindest bei vielen). Wenn sich körperliche Belastungen regelmäßig wiederholen, versuchen sie, mit diesen Belastungen besser fertig zu werden. Also, diese Belastungen mit weniger Aufwand (=Energiezufuhr, Energieumsatz) zu bringen. Oder andersherum: Bei gleicher Energiezufuhr mehr PS entwickeln. Diese wiederkehrenden Belastungen nennt man auch "Trainingsanreize". Diese "Trainingsanreize" können wir jetzt gezielt setzen: Es wäre ja ein großer Wettbewerbsvorteil, wenn wir unseren Riesentank, also die Fettdepots, besser nutzen können. Also müssten wir unseren Menschmotor dahin bringen, dass er an die da vorhandene Energie besser herankommt. Für Marathonfahrer sicher wichtig. Aber auch für die Leute, die sichtbar einen zu großen Fett-Tank haben... Für das Wohlbefinden ist es sicher von Vorteil, diese eventuell lästigen Nebenwirkungen der sauerstoffarmen Verbrennung (siehe 2.) zu vermeiden. Jetzt sind wir also beim Zweiten Schritt: was wollen wir eigentlich? Wenn wir uns regelmäßig bewegen (Radfahren), verbinden wir damit persönliche Ziele. Über die sollte man sich im Klaren werden. Grundlagen: Wie
erzeugt der Körper mechanische Energie? So ähnlich wie
ein Automotor. Durch Verbrennung von "Kraftstoff". Also:
Brennstoff +
Sauerstoff =
Mechanische Energie +
Wärme Der
Mensch ist aber im Vergleich zum Automotor eine High-Tech-Konstruktion. Er
hat: ·
3
Tanks mit unterschiedlicher Kapazität und unterschiedlichen Brennstoffen ·
Die
Verbrennung kann auch mit Sauerstoffmangel geschehen (bildet dann aber Rückstandsprodukte,
nämlich Milchsäure (Laktat)) ·
Hat
nicht nur eine lernfähige (hoffentlich !!) Schaltzentrale, sondern auch durch
"Trainingsanreize" änderbare "Motorleistung".
Jetzt können wir dann überlegen, wie wir - die speziellen Eigenschaften des Menschmotors (siehe Erster Schritt), und - unsere persönlichen Ziele in Einklang bringen. Und das funktioniert eben so, dass wir die "Trainingsanreize" genau so auswählen, dass sie mit den Zielen übereinstimmen. - Wer Gewicht loswerden will, muss an den Fett-Tank ´ran. - Wer seine Dauerleistungsfähigkeit steigern will, muss sehen, dass er die Kohlehydratspeicher möglichst effektiv nutzt. - Wer Wettkämpfe bestreiten will, oder Langstrecken, muss alle Tanks sehr gut nutzen können usw. Dritter Schritt: Die Frage ist nur, wie wir den "richtigen" Trainingsanreiz finden. Darüber haben sich Experten schon lange den Kopf zerbrochen. Der Schlüssel liegt in der Sauerstoffmenge. Damit könnte man ja versuchen, die Luftmenge zu messen, aber erstens geht das schlecht, und zweitens findet die Energieumsetzung ja nicht im Atembereich, sondern in den Muskeln statt. Dorthin wird der Sauerstoff über das Blut transportiert. Also, vereinfacht gesagt, mit jedem Herzschlag wird den Muskeln eine bestimmte Sauerstoffmenge zum Verbrennen des Kraftstoffs geliefert. Und damit haben wir den geeigneten "Anzeiger" für die Belastung / den Anreiz: die Geschwindigkeit, mit der das Herz schlägt, die sogenannte "Herzfrequenz". Sie wird üblicherweise in Schlägen pro Minute (S/min) gemessen.
2. Die "Unrundheit" des Herzschlages ohne oder mit sehr niedriger Belastung. Dazu später mehr. Wie
bestimme ich den für mich richtigen Belastungsbereich? Möglichkeit
1: Über die
ANS (aerob-anaerobe Schwelle). Das ist die
Belastung, bei der Milchsäurebildung und Milchsäureabbau im Gleichgewicht
stehen. Möglichkeit
2: Über die
Herzfrequenz-Variabilität (also die "Unrundheit" des Herzschlages) Verfahren zur Bestimmung der ANS 1. Labor-Test, sog. "Laktat-Stufentest". Dazu als Beispiel Folie 5a. Auf einem Ergometer wird die Leistung in 3-Minuten-Abständen gesteigert, und am Ende jeder 3 Minuten wird etwas Blut aus dem Ohrläppchen gezapft und auf Milchsäure/Laktat hin untersucht. Bei einer Laktatkonzentration vom 3 mmol pro Liter Blut ist die ANS, d h soviel Laktat wie erzeugt wird, kann der Körper auch abbauen. 2. Conconi-Test. Beispiel Folie 5 b. Ist ebenfalls ein Stufentest, aber ohne Blutuntersuchungen. Es wird bei jeder Belastungsstufe die HF gemessen und grafisch aufgetragen. Meistens ergibt sich ein "Knick" in der Kurve - das ist dann die ANS. Der Knick ist leider nicht immer sichtbar (z.B. bei Probanden, die etwas aufgeregt sind beim Test...). Insofern ist dieses Verfahren etwas unzuverlässig oder ungenau. 3. Faustformeln. Siehe Folie 5. Die erste (0,85....) gilt angeblich für 60% der Menschheit. Früher wurde häufig noch genannt: ANS = 200 minus Lebensalter; dies führt aber häufig zu zu hohen Werten. Wenn man alle Formeln ausprobiert, liegt angeblich 90% der Menschheit irgendwo in diesem Bereich... Hinweise: a) MHF, Maximale Herzfrequenz: Wer das ausprobieren will entweder unter ärztlicher Aufsicht oder ausschließlich auf eigenes Risiko. An dieser Stelle wird ausdrücklich davon abgeraten !!!! b) Nochmal: Die ANS läßt sich durch Training NICHT steigern (sie sinkt tendenziell sogar etwas ab, bes. bei extensivem Training). Durch das gezielte Training wollen wir unsere Leistung bei konstanter Herzfrequenz verbessern, NICHT dadurch, daß wir die HF erhöhen !!
Wie
ermittle ich die ANS? 1.
Labor-Test,
sog. "Laktat-Stufentest
" (teuer) 2.
Conconi-Test
(klappt nicht immer, ggf. ungenau) 3.
Faustformeln:
z. B. : 0,85 mal (220
minus Lebensalter)
(ergibt ANS =
149 für eine/n 45-jährige(n))
oder:
Maximale Herzfrequenz (MHF) minus Lebensalter
(ergibt ANS = 140 bei MHF = 185) Im
Fitnessbereich benötigt man die ANS nicht haargenau, einige Schläge Abweichung
machen nichts, da ja nicht dauernd an der oberen Grenze gefahren wird. Die
Faustformeln gelten für ca. 90% der Menschheit, die restlichen 10% sind
meistens "Hochpulser".
Wenn die ANS jetzt also bekannt ist, kann man - auf Basis sportwissenschaftlicher Untersuchungen - bestimmte Trainingsbereiche festlegen. Der wichtigste ist der "Grundlagenbereich". Hier werden die richtigen Anreize gesetzt, um a) mit der Energie in den "Fett-Tanks" besser auszukommen, und b) mit der Energie in den Kohlehydratspeichern mehr Dauerleistung zu erzeugen, d h länger damit auszukommen. Für a) benötigen wir mehr den unteren Bereich des Grundlagenbereiches, für b) mehr den oberen. Der "Kompensationsbereich" hilft zur schnelleren Regeneration nach intensiver oder extensiver Belastung. Der "Entwicklungsbereich" hilft, die Maximalleistung zu steigern (allerdings nicht langfristig). Training in diesem Bereich funktioniert aber nur dann effektiv, wenn wir vorher gelernt haben, mit den Reserven richtig umzugehen - d h bevor man hier trainiert, sollten einige 1000 km Grundlage absolviert sein. Das heißt: Reine Hobbyfahrer mit nicht mehr als 4000 km im Jahr oder so brauchen sich nur auf den Grundlagenbereich zu konzentrieren. Das bisschen Training in den Nachbarbereichen, dass bei solchen km-Leistungen überhaupt sinnvoll ist, kommt sowieso, da man seinen Bereich in der Praxis nicht 60 Minuten pro Stunde einhalten kann. 5 Minuten Abweichung sind "erlaubt". und jeder wird sehen, die kommen sowieso.... Wer bevorzugt Gewicht verlieren will, muss sich eben möglichst lange im unteren Grundlagenbereich aufhalten. 36 Stunden bei HF 115 verbrennen ein ganzes Kilogramm Fett........ Fitnesssteigernd ist der ganze Grundlagenbereich; für Leistungssteigerung muß auch mal die obere Hälfte länger benutzt werden. Wenn der Körper das gut kann, kann man versuchen, seine Kraftausdauer / maximale Dauerleistung im "Entwicklungsbereich" zu erhöhen. An besten in Intervallen vom 3 bis 10 Minuten Dauer und 4-5 Wiederholungen; dazwischen immer wieder in den Grundlagenbereich gehen. Am nächsten Tag dann entweder auf dem Sofa liegen oder im Kompensationsbereich fahren.... Frage: was ist, wenn ich "unkontrolliert" trainiere? Antwort: naja, dann trainierst du eben zufällig. Ist auch gut - besser als nix. Aber wer abnehmen will und sich voll auspowert, wird feststellen, dass das mit dem Abnehmen nicht gut funktioniert. Wer Langzeitausdauer trainieren will und sich zu hoch verausgabt, wird auch feststellen, dass die Fortschritte nicht gar so schnell sind..... Wenn ich immer nur Puls 170 fahre, lernt der Körper das ganz gut. Aber nur solange, wie der Sprit reicht (das ist bei 170 nicht so lang). Der Energieverbrauch bei 125 ist dann nicht gut trainiert, d h das kann der Körper dann nicht gut. Aber gerade in diesen niedrigeren Bereichen spielt ja die Musik bei Langstrecken.... Noch ein Pferdefuß: Das "Umschalten" auf höhere Belastungen kann der Körper gut und schnell. Runterschalten auf niedrigere klappt leider längst nicht so gut. Also z.B.: - Gehe ich über die ANS, wird Energie sofort mit Sauerstoffmangel erzeugt (Laktat usw.). Gehe ich dann wieder unter die ANS, dauert es mehrere Minuten, bis der Körper wieder auf sauerstoffreiche Verbrennung umstellt..... Heißt also: für ein wirklich effektives Zielzonentraining ist einiges an Disziplin und Geduld nötig!!!!! (In den Straßengraben schauen, wenn einen die rüstige 70-jährige bergauf überholt, bzw. Defekt simulieren). Wem das keinen Spaß macht: den HF-Messer verschenken ! (oder als Wetterfrosch benutzen oder so) Welches sind
geeignete Belastungsbereiche nach der "ANS-Methode"? Grundlagenbereich,
ca. 75 bis 87% der ANS
also 112 bis 130 S/min bei ANS
= 149 Für
eine möglichst effektive Fettverbrennung die oberen 10 S/min weglassen, also
ca. 112 bis 120 S/min beim genannten Beispiel Kompensationsbereich,
ca. 60 bis 75% der ANS
also 90 bis 112 S/min bei ANS = 149
(nur wichtig bei gewollt leistungssteigerndem Training) Entwicklungsbereich,
ca. 87 bis 105% der ANS
also 130 bis 156 S/min bei ANS = 149 (für
physische und mentale Einstellung auf wettkampfähnliche Bedingungen; Training
hauptsächlich in Intervallen für leistungsorientierte Fahrer; setzt vorheriges
extensives Training im Grundlagenbereich voraus. In der Regel nur zu empfehlen
bei mehr als 4-5000 Jahreskilometern) Spitzenbereich
(nur für Wettkampffahrer)
An dieser Stelle noch der Hinweis auf die alternative Bestimmung von HF-Trainingsbereichen. Siehe Text auf Folie, keinen weiteren Kommentare hier (wer ein solches Gerät hat: dort liegt meistens noch was zu lesen bei...) Festlegung
des Trainingsbereiches über die HF-Variabilität Grundlage:
Je besser der Fitnesszustand eines Menschen, desto "unregelmäßiger"
schlägt sein Herz im Ruhezustand / im Leerlauf. D.h. zwischen den einzelnen
Herzschlägen gibt es ungleich lange Pausen. Bei Belastung,
also steigender HF, wird der Herzschlag regelmäßiger. Es
gibt spezielle Geräte, die die "Unrundheit" des Herzschlags bei
niedriger Belastung messen und feststellen, ab wann das Herz regelmäßiger schlägt.
Dies ist dann die UNTERE Schwelle für einen Trainingsanreiz.
Zu diesem MINDESTWERT wird ein Intervall addiert, das davon abhängt, ob
man: ·
Fett
verbrennen ·
Grundlagenausdauer
allgemein trainieren ·
oder
bis in den unteren Entwicklungsbereich trainieren
möchte Diese
Methode eignet sich nicht für wettkampforientiertes Training. Vorteil
für Spaßradfahrer: Tagesform/Biorhytmus wird berücksichtigt !
Unvermeidbare Tipps zum Schluß. Wer´s anders macht oder besser weiß: nur voran! So, das war's. Schlußbemerkung: Wann finden sich 20 Ober-Mörlener Radfahrer jetzt als Gruppe in einer 150-km-RTF (oder auf´m Marathon) ???? Trainingstipps 1.
Bei
unregelmäßiger Trainingsmöglichkeit ausschließlich Grundlagenbereich
anpeilen 2.
Zur
schnellen Leistungssteigerung gezielte Anreize setzen: z.B. Tag 1: 2 Std, Tag 2: 2,5 Std., Tag 3: 3 Std; 1 Tag Pause, wiederholen mit je 0,5 Std. mehr usw. 3.
Im
Urlaub / Trainingslager o.dgl.: besser
vormittags 2-3 Std. fahren, dann mind. 2 Std. Pause, dann 1-2 Std. locker am
Nachmittag als "alles am Stück" 4.
Grundlagentraining
in hügeligem Gelände: bergauf
kommt man leicht aus dem Grundlagenbereich, oder man fährt mit einer
Trittfrequenz, die sich nicht mehr nach Radfahren anfühlt. Mindestens ca. 60
Kurbelumdrehungen pro Minute sollten es schon sein (auch zur Schonung der
Gelenke !). Bei Reifengröße 700*23 und 39/26 Zähne bedeutet das ca. 11 bis 12
km/h. Wer dabei bergan aus dem Grundlagenbereich kommt (und das eigentlich nicht
will) sollte seine Übersetzung ändern (3-fach vorne??) oder schieben.... 5.
Andere
Sportarten nicht
vergessen. Walking oder Jogging geht auch gut mit HF-Kontrolle, eignet sich
besonders wenn man nicht viel Zeit hat; zur Not im Dunkeln... Anregung:
Gymnastik (bes. für den Rücken): kann so
was im Verein organisiert werden??
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Stand: 14. Oktober 2005 |